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Wanderboje am Mauerstreifen, Berlin 2009

Zwischen dem 13. August (Tag des Mauerbaus) und dem 9. November (Mauerfall) umrundete die Wanderboje Berlin. Die Wanderboje machte überall dort Station, wo wir private Geschichten mit der Berliner Mauer fanden.
Sie können auf die einzelnen Geschichten über die Orte des Geschehens oder die Liste der Geschichten zugreifen, zusätzlich können sie sich Bilder des Events ansehen

"Der Westen greift uns an!"

Ich hatte das Glück den Mauerdurchbruch und dadurch auch zwei Welten zu erleben. Am 9. November kam ich nach aus meinem ersten Heimurlaub in 16 Wochen aus Dahme wieder in die Unterkunft meiner Kompanie an der Bouchestrasse Ecke Puschkinstraße. Wir haben in unserer Kompanie einen Abschnitt von 5 Kilometern bewacht, der insgesamt 3 Tore hatte. Die Kameraden freuten sich wenn jemand aus dem Heimurlaub kam, weil dann immer Schnaps mitgebracht wurde. So trat ich am 9.November um 17Uhr meinen Dienst in Treptow an, und trank mit den Kollegen auf der Stube. Nachts um halb 3 hörten wir laute Geräusche von den SPW’s (Panzer mit Rädern), und etwa eine halbe Stunde später wurden wir vom Major geweckt, der ziemlich nervös schien und uns aufforderte uns anzuziehen, runter zu gehen und mit den SPWs an die Mauer zu fahren. Wir wussten gar nicht was los ist. Der Major sagte „Der Westen greift uns jetzt an!“ Noch waren wir auf den Zimmern als der Kompaniechef mit einem scheinbar klareren Kopf reinkam und uns alle wieder zurück ins Bett schickte. Wir hörten noch, wie er den Major zusammenstauchte, er solle sich gefälligst zusammenreißen und dass er in seiner Kompanie nichts zu melden habe. Wir selber hatten gar keine Vorstellung, was draußen abging, und waren wie eingesperrt. Der Kompaniechef versuchte uns zu beruhigen und sagte, das seien alles normale Leute, die jetzt von links nach recht und von rechts nach links hin und herliefen. Er schickte uns mit der Anweisung, morgen laufe alles normal wie gehabt weiter, ins Bett. Der einzige Unterschied bestehe darin, dass sich statt alle 100 Meter alle 5 Meter ein Soldat platzieren soll. Am nächsten Morgen war Schichtbeginn um halb sechs. An der Mauer waren ein Haufen Späher und Fotographen der NVA, die sonst nie zu sehen waren. Sie dokumentierten, wie die Leute über die Mauer stiegen. Wir hatten ein merkwürdiges Gefühl, und dachten:„datt jibs ja jarnich!“ Ich habe mir Sorgen über meine Arbeit und Zukunft gemacht. Das Gefühl machte sich breit, dass eine neue Zeit begonnen hatte. Bis April war ich noch dort eingesetzt. Öfters mal kamen Wessis vorbei, die sich unseren Wachturm und die Aussicht anschauen wollten. Wir haben denen dann eine Leiter gereicht und sogar einmal dafür einen BigMac von McDonalds geschenkt bekommen.