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Wanderboje am Mauerstreifen, Berlin 2009

Zwischen dem 13. August (Tag des Mauerbaus) und dem 9. November (Mauerfall) umrundete die Wanderboje Berlin. Die Wanderboje machte überall dort Station, wo wir private Geschichten mit der Berliner Mauer fanden.
Sie können auf die einzelnen Geschichten über die Orte des Geschehens oder die Liste der Geschichten zugreifen, zusätzlich können sie sich Bilder des Events ansehen

Der verpasste Mauersprung

Ich war noch nicht volljährig, vielleicht fünfzehn oder sechszehn Jahre. Meine Schwester wohnte in der Harzer Straße in Treptow, ich besuchte sie oft. Das Haus lag unmittelbar an der Mauer und sollte abgerissen werden. Ich beobachtete, wie angefangen wurde, das Haus abzubauen. Da die angrenzenden Häuser sehr dicht standen, konnte es nicht gesprengt werden, so wurde es also nach und nach abgetragen. Neben dem halb abgerissenen Haus stand auf einmal ein Schuttberg an der alten Brandmauer an der Brachfläche links und rechts von dem Wohnhaus. Dieser Trümmerberg wuchs von Tag zu Tag. Die Fläche dort wurde nicht unmittelbar bewacht. Es gab zwei Wachtürme in der Nähe. Der eine war gar nicht richtig zu sehen und auch ich war nicht im Blickfeld. Auch der andere Turm war ziemlich weit entfernt. Ich war damals sehr sportlich und dachte: das ist ne Versuchung. Ich hätte echt über den Schuttberg rüber rennen können, die Wachtmänner auf den Türmen hätten das nicht mitbekommen. Ich habe echt überlegt: machtst du das oder machst du das nicht? Aber mein Drang nach Westen war nicht groß genug. Meine Familie war hier im Osten und ich war ja gerade mal fünfzehn oder sechzehn. Ich wusste nicht, ob ich sie einfach so, hätte wieder besuchen können. Nach drei Tagen haben die Wächter den Schuttberg auch bemerkt und haben dann eine Hund an einer gespannten Kette dort positioniert um dieses Stück zu bewachen.