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Wanderboje am Mauerstreifen, Berlin 2009

Zwischen dem 13. August (Tag des Mauerbaus) und dem 9. November (Mauerfall) umrundete die Wanderboje Berlin. Die Wanderboje machte überall dort Station, wo wir private Geschichten mit der Berliner Mauer fanden.
Sie können auf die einzelnen Geschichten über die Orte des Geschehens oder die Liste der Geschichten zugreifen, zusätzlich können sie sich Bilder des Events ansehen

Warum ein Japaner vor der Berliner Mauer seinen Hut zog. Oder: Kann nit verstaan

In meinem Erinnern verwendete er sogar den Begriff „barhäuptig“, der neugierige Beschwerdeführer auf der Türschwelle zur Wall-StreetGallery. - Also, warum wir seinen Freund hier, er deutete dabei auf seinen Begleiter, - aufgefordert, ja sogar genötigt hätten, vor der Berliner Mauer seinen Hut zu ziehen und nur barhäuptig an ihr weiterzugehen. Mein Blick richtete sich auf seinen Begleiter und ich erkannte den japanischen Herrn mit dem markanten Profil wieder, dem ich tags zuvor hier vor der Wall-StreetGallery schon mal begegnet war wie er fassungslos und irritiert mein hilfloses Gestikulieren beobachtete. Was war geschehen?: Ein Unglück mit beinahe tötlichem Ausgang. Es war ein sehr windiger Tag im Herbst 1988 gewesen, mit Sturmböen. Einer von diesen Tagen an denen Orkanböen Stückchen morschen Holzes aus dem Dachstuhl des Nachbarhauses rissen. Dieses mal war es aber ein großes, ein meterlanges Brett, das herunterkrachte, eine Touristin in den Nacken traf und einen Halswirbelbruch bei ihr verursachte. Die Lady brach vor meiner Tür in die Knie, wir trugen sie sofort in die Gallery- Räume, heraus aus der Gefahrenzone. Und genau in diesem Moment tauchte der japanische Gentlemen auf; er kam seelenruhig, nichtsahnend vom Check Point Charlie her spaziert. Ich wollte ihn aufmerksam machen, auf die Gefahr hinweisen. Ihn durch zurufen und Gesten warnen. Er aber schaute, blieb mitten in der Gefahrenzone stehen, verstand weder Wort noch Geste; er verharrte und schaute nur unverständigen Blicks auf mein immer hektischer werdendes Gebaren. Ich, im Türrahmen stehend, hinter mir das schmerzvolle Stöhnen der jungen Frau, vor mir ein gefährdeter Mann aus Japan, der nicht verstand was ich ihm mitteilen musste. „Weiter, weiter, go, go, go“, rief ich ihm zu, „danger, schnell weitergehen“. Ich deutete nach oben zum Hausdach hin, er schaute mich an als würde ich den Himmel anrufen, mit runden Augen, Unverständnis in seinem Blick. Das überforderte mich in diesem Moment total. Ich klatschte mir also mit der flachen Hand auf den Kopf, um anzudeuten dass da was herunterkommen kann, dass es gefährlich ist da zu verharren wo er gerade steht – er aber nahm seinen Hut vom Kopf, und schaute mich mit fragendem Blick an. Alle weiteren Versuche noch eine Verständigung herzustellen traten nun zurück, ich musste mich um die Verunglückte kümmern, einen Notarzt rufen und die Feuerwehr. Ich ließ nun also den Herrn einfach stehen. Der, offenbar davon überzeugt das richtige getan zu haben, setzt seinen Spaziergang an der Mauer entlang fort, seinen Hut trug er wie ehrerbietend in Händen.