Wanderboje am Mauerstreifen, Berlin 2009

Die Mauer ist weg

Eure Wanderboje hat einen weiten Weg vor sich. Und wieder zurück! Denn meine schönste Mauergeschichte erlebte ich nach einem langen Tag mit einem Fotografen und einem Textjournalisten vom STERN in Istanbul. Es ging um einen gerade beendeten Roman von mir, der zum Teil in der Türkei spielt. Am Abend gingen wir auf unsere Zimmer in dem alten Prachthotel aus osmanischer Zeit, und ich schaltete den Fernseher ein. Ich sah eine Nachrichtensendung des türkischen Fernsehens, und plötzlich waren da unzählige Menschen zu sehen, die auf einer sehr hohen Bühne hockten, standen oder sie, mit der Hilfe von Leuten die schon oben waren, zu erklimmen versuchten. Mein Türkisch (praktisch nicht vorhanden), reichte nicht aus, um das Rätsel zu lösen, ich verstand nur "Almanya" und "Berlinde" (in Berlin). Merkwürdig! Eine Berliner Theateraufführung im türkischen Fernsehen? In den Nachrichten?? Ich beschloß, hinunterzugehen an die Bar, vielleicht waren auch "meine" Journalisten dort und hatten etwas gehört. Aber bevor ich noch nach der Bar suchen konnte, trat mir in der Halle ein staatlicher alter Herr entgegen, groß, weißhaarig, mit einem völlig weißen riesigen Schnurrbart. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Josef Stalin, schien aber freundlichere Absichten zu haben. Er gehörte offensichtlich der osmanischen Zeit an, wie das Hotel. Sein Blick leuchtete, er trat dicht an mich heran und fasste mich an den Schultern. Bevor ich mich in Sicherheit bringen konnte, umarmte er mich, gab mir einen Kuß rechts und einen links, massierte mir beide Schultern und sagte mit Tränen in den Augen: "Mein Herr, ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Vaterland!" Ich war immer noch ein einziges Fragezeichen, aber jetzt nur noch Sekunden von der Lösung des Rätsels entfernt: In Berlin hatte eine Jahrhundertaufführung stattgefunden, mit riesigem Erfolg. Titel des Stücks: "Die Mauer ist weg".