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Wanderboje am Mauerstreifen, Berlin 2009

Zwischen dem 13. August (Tag des Mauerbaus) und dem 9. November (Mauerfall) umrundete die Wanderboje Berlin. Die Wanderboje machte überall dort Station, wo wir private Geschichten mit der Berliner Mauer fanden.
Sie können auf die einzelnen Geschichten über die Orte des Geschehens oder die Liste der Geschichten zugreifen, zusätzlich können sie sich Bilder des Events ansehen

Sehnsuchtsblicke

Vom Belvedere aus konnte man bis rüber in den Glienicker Volkspark gucken. Da waren wir immer am Sonntagnachmittag. Das war unser Sehnsuchtsblick. Ansonsten war für die Potsdamer schon vor dem Weißen See die Welt zu Ende. Der Weiße See war von drei Seiten ummauert - nur die vierte, die zum Westen gehörte nicht. Über diese Mauer ragte der Kirchturm der Sacrower Heilandskirche, die im Grenzvorland lag, praktisch im Niemandsland und die völlig unzugänglich war. Auch diese Kirche war uns also nur 'per Blick' erreichbar. Nach '89 bin ich dann zu all diesen Sehnsuchtspunkten hingegangen und habe den umgekehrten Blick auf Potsdam genossen. Bei meinem ersten Besuch der Heilandskirche sind mir besonders die blauen Zierkacheln aufgefallen, die die Fassade schmücken. Diese Zierkacheln sind wegen ihrer rauen Oberfläche besonders beliebt gewesen für frühe Graffiti, weil schon ein einfacher Bleistift hervorragend auf ihnen hielt. Das waren Zeugnisse aus den 30er und 40er Jahren, deren antiquierte Schriftzüge mich seltsam berührt haben, denn 'Friedel und Toni', die 1942 ihrer Verliebtheit hier ein Denkmal gesetzt haben, sind heute uralt oder schon tot. Bei genauer Betrachtung fiel mir dann auf, dass ab 1961 fast keine Inschriften mehr hinzukamen, außer ganz wenigen Ausnahmen, die vermutlich von Grenzsoldaten stammten, die sich ihrer Entlassung entgegensehnten und die noch verbleibenden Tage vermerkten. Außerdem bemerkte ich noch Spuren von MG-Salven - bin mir aber nicht sicher, ob die noch aus den letzten Kriegstagen stammen. Nach '89 scheinen junge Leute an die Tradition wieder anzuknüpfen - meist mit schwarzem Filzstift mit Namen wie Mändy, Kevin, Jennifer. Jetzt ist die Heilandskiche ein Ausflugsort für wohlhabende Kulturtouristen aus Zehlendorf und Grunewald geworden, die hier ihren Preußenkult abfeiern.