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Wanderboje am Mauerstreifen, Berlin 2009

Zwischen dem 13. August (Tag des Mauerbaus) und dem 9. November (Mauerfall) umrundete die Wanderboje Berlin. Die Wanderboje machte überall dort Station, wo wir private Geschichten mit der Berliner Mauer fanden.
Sie können auf die einzelnen Geschichten über die Orte des Geschehens oder die Liste der Geschichten zugreifen, zusätzlich können sie sich Bilder des Events ansehen

Der Jogger von Johannisthal

Ich wohne in Berlin – Johannisthal, der Teltow-Kanal-Grenze zwischen Rudow-West und Johannisthal-Ost. Früher war das für uns Kinder Badestelle und Anglerparadies. Wir sind oft mit den Rädern auf die Westseite nach Rudow, um die „Bravo“ zu kaufen! Wegen der Angst, dass die Grenzer uns filzen, sind wir über die eine Brücke hin und eine andere Brücke zurück. Dann wurde 1961 die Mauer entlang des Teltow-Kanals gezogen. Hundegebell, Sperrgebiet, Verbot der Massantebrücke an der Stubenrauchstrasse, alles verfiel in einen Dornröschenschlaf. Dann nach all den Jahren die 1989 große Sylvesterfeier auf der Brücke. Sekt für die Grenzer und es ging wieder hin und her auf der Massantebrücke. Als leidenschaftlicher Läufer war nun einiges Neues als Laufstrecke möglich. Also hab ich den Reisepass in die Jogginghose gepackt und bin auf zur Sonnenallee. Stempel, und rein nach Neukölln-Rudow, am Teltowkanal entlang und auf der Westseite wieder zurück. Stempel. Ausreise. Das ging so tagelang bis der Reisepass voll gestempelt war. „Da kommt wieder der verrückte Läufer! Na, gehen Sie schon durch, sind ja bekannt wie ein bunter Hund“, hieß es. Alsbald entdeckte ich auch ein Loch in der Mauer, dass die Mauerspechte gemacht hatten. Ich kroch hindurch und war wieder auf meiner Laufstrecke auf dem ehemaligen Kolonnenweg, der von Baumschulenweg nach Johannisthal führte. Ei, war das ein Gefühl zwischen den Grenzanlagen, völlig alleine auf dem nun schon fast geöffneten Grenzstreifen. Von der Massantebrücke aus wurde ich schon mit dem Fernglas beobachtet. „Wo kommen Sie denn her?“. „Durch ein Loch! Da hinten ist die Mauer schon aufgebrochen“. Die Grenzer grinsten sich eins und ich war der Grenzstreifenläufer von Berlin-Johannisthal. Heute geht da die Stadtautobahn entlang und nichts erinnert an die vergangenen Zeiten.