Sprache auswählen

Wanderboje am Mauerstreifen, Berlin 2009

Zwischen dem 13. August (Tag des Mauerbaus) und dem 9. November (Mauerfall) umrundete die Wanderboje Berlin. Die Wanderboje machte überall dort Station, wo wir private Geschichten mit der Berliner Mauer fanden.
Sie können auf die einzelnen Geschichten über die Orte des Geschehens oder die Liste der Geschichten zugreifen, zusätzlich können sie sich Bilder des Events ansehen

Inselleben

Ich war mit der Mauer vertraut. Ich fühlte mich beschützt vor dem Normalbürgertum. Als ich damals Zwanzig war, war Berlin für mich wie eine geschlossene Psychatrie, wo alle Verrückten hingegangen sind, der Westteil Berlins, und die Mauer war wie ein Wall und ein Schutz. Ich habe hier in Kreuzberg in der Oranienstr. gelebt. Zum 9. November selbst habe ich keine Erinnerungen, weil ich den Fall der Mauer erst gar nicht mitbekommen habe, erst am nächsten Morgen rief mich dann ein Freund an und sagte, die Mauer sei weg. Ich konnte es zunächst gar nicht glauben. Spätestens als ich aber mit der U Bahn fahren wollte habe ich gemerkt, daß sich etwas in der Stadt verändert hat. Die Bahnen waren rappelvoll und es war unmöglich, einzusteigen. Ich bin dann zu fuß gelaufen, von Tiergarten bis Kreuzberg, und ich erinnere mich noch, wie Leute aus dem Osten hier rüber kamen und durch Kreuzberg liefen und sagten, hier seien so viele Ausländer. In dem Moment habe ich gedacht: Und was seid ihr? Ihr seid doch nichts anderes! Damals war ich sehr skeptisch und negativ gestimmt. Ich habe mich dann in Berlin nicht mehr so wohl gefühlt. Das Inselleben, was ich zuvor so geschätzt habe, wurde zum Leben auf dem Festland. Da hat Berlin für mich einen Verlust erlitten, der sich inzwischen wieder relativiert hat.