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Wanderboje am Mauerstreifen, Berlin 2009

Zwischen dem 13. August (Tag des Mauerbaus) und dem 9. November (Mauerfall) umrundete die Wanderboje Berlin. Die Wanderboje machte überall dort Station, wo wir private Geschichten mit der Berliner Mauer fanden.
Sie können auf die einzelnen Geschichten über die Orte des Geschehens oder die Liste der Geschichten zugreifen, zusätzlich können sie sich Bilder des Events ansehen

Mit Vollgas in den Westen

Der grobe Rahmen ist, dass ein Teil meiner Familie in Ostberlin gelebt hat. Der andere Teil war eher auf den Nordfriesischen Inseln angesiedelt und ich, die damals in Westberlin in Neukölln lebte, habe sehr viel daran getan, diese Mauer für meine Familie zu überwinden, indem ich alle Möglichkeiten für Kontakt und Besuche ausschöpfte. Meine Geschichte geht wie folgt: Ich sitze in Berlin an einem Abend im November `85 in einer Kneipe in Kreuzberg mit Kollegen. Plötzlich kommt meine Schwester Imme rein, die mir sagte, sie hätte mich gesucht, um mir mitzuteilen, dass Eckhardt und Petra da sind. Als ich das hörte, habe ich zum ersten Mal verstanden, was es heißt ‚etwas nicht fassen zu können’. Ich ging mit ihr nach draußen, und brach in eine Art hysterisches Gelächter aus, wiederholend den Satz “Eckhardt und Petra sind da“. Irgendwann hatte ich mich wieder beruhigt und lauschte meiner Schwester, die mir mitteilte, dass mein Cousin und meine Cousine mit dem Käfer meines Großvaters über den Checkpoint Charly nach Westberlin gekommen sein. In mir ratterte ein Film, was jetzt mit der Familie sein würde, und was mit Karin und Joachim(deren Eltern) geschehen würde. Beinah im gleichen Atemzug erfuhr ich aber, dass meine Tante Karin eine Ausreisegenehmigung für Mitternacht hatte, um ihre sterbenskranke Mutter in Westberlin zu besuchen. Eckhardt und Petra wären in diesem Augenblick am Übergang Friedrichstrasse, um ihre Mutter von der anderen Seite zu begrüßen. Ich war schon ziemlich betrunken zu dieser Zeit des Abends, und erhielt durch einen Anruf von meinem Cousin den Auftrag nach Ostberlin, nach Wendenschloss in Köpenick zu fahren und Joachim (seinem Vater)bescheid zu sagen, dass seine Frau Karin auf jeden Fall zurückkehren würde. Ich machte mich am nächsten morgen auf zu Onkel Joachim, der da ziemlich fassungslos alleine und ohne Familie saß. Eckhardt bemühte sich lange, dass die Amerikaner den Fluchtweg nicht rauskriegen, um seine Eltern zu schützen. Irgendwann hat er ihnen den Fluchtweg beschrieben: Karin und Joachim und ihre Kinder Eckhardt und Petra hatten vor ins Konzert in einem Saal „Unter den Linden“ zu gehen. Wegen des Ablebens des Großvaters verfügte die Familie über 2 Autos. Der Wagen des Großvaters war zufällig ein VW-Käfer gewesen. Die Kinder fuhren mit diesem zum Kaufhaus am Ostbahnhof, um noch nach einem Jackett für den Konzertbesuch zu suchen. Als sie den Wagen parkten, stellten sie fest, dass da auch noch 2 Ami-Autos rumstanden, mit entsprechenden Kennzeichen. Und sie hielten es für eine gute Idee, diese einfach mal abzumontieren, und dann zu sehen, ob man damit über den Checkpoint Charly kommt. In einer dunklen Ecke montierten sie diese dann am VwKäfer an. Spontan fiel dann die Entscheidung, was sie jetzt machen würden und auch Petra, die gerade angefangen hatte zu studieren entschied sich dafür, es zu wagen. Sie setzten sich in den Wagen, fuhren zum Checkpoint und wurden durchgewunken. Erst vor der letzten Schranke, die glücklicherweise offen stand, bemerkten sie dass ein Grenzer auf den Wagen zukam. Petra kurbelte das Fenster runter und Eckhardt vernahm nur, dass es noch irgendeine Nachfrage gab und Vollgas. Erst am Ende der Friedrichstraße beim Halleschen Tor kam er zum stehen. Ende Teil 1.